Egal ob OECD, Weltwirtschaftsforum (WWF) oder The Linux Foundation – alle sind sich einig: Upskilling und Reskilling sind die Antwort auf den Fachkräftemangel und den “Skills Gap” in technischen Branchen. Dieser “Trend” war schon vor 10 Jahren abzusehen, und nicht nur das WWF berichtete darüber schon kurz nach der Jahrtausendwende. Der 2024 State of Tech Talent Report von der Linux Foundation (s. Abb. 1) bringt auf jeden Fall die wichtigsten Punkte wunderbar kompakt und visuell zusammen. Und die OECD bricht es auf drei Dinge herunter: SKILLS-FIRST HIRING, MICRO-CREDENTIALS und INCLUSIVE OUTREACH.
Skills-first beziehungsweise Skills-based Hiring haben wir in unserem letzten Insight behandelt sowie Inklusion im Recruiting im Insight davor. „Micro-credentials“ (etwa “Mini-Zertifikate”) sind kurze, zielgerichtete Lernaktivitäten, die Lernenden eine Möglichkeit bieten, sich schnell und effizient umzuschulen und weiterzubilden. Die Schlagworte sind Reskilling und Upskilling – Umschulung und Weiterbildung. Darum soll es heute in diesem Artikel gehen.
Breiten wir erstmal die wichtigsten Erkenntnisse aus unserer Recherche aus. Die Linux Foundation kommt zu dem Schluss, dass Upskilling oder Reskilling 2024 in allen Technologiebereichen ganz oben auf der Agenda für Talente stehen. Ganze 98 % der Unternehmen betrachten Weiterbildung als wichtige Strategie, um ihren Bedarf an technischen Fachkräften zu decken. 36 % bewerteten sie als äußerst wichtig und 38 % als sehr wichtig. Nur 2 % gaben an, dass es nicht so wichtig sei.
Die am häufigsten genannten Vorteile von Weiterbildungsmaßnahmen sind die Möglichkeit, die Fähigkeiten von Angestellten für eine Umverteilung zu diversifizieren (40 %), Karrieren voranzutreiben (40 %), jüngeren Angestellten zu helfen, ihre Fähigkeiten zu erweitern (40 %), und eine kostengünstigere Möglichkeit zur Steigerung des technischen Fachwissens zu bieten (35 %). Also erschlägt Upskilling eine ganze Reihe von aktuellen und zukünftigen Problemen.
Und die Bereiche, auf die Upskilling und Reskilling zielen, sind natürlich wenig überraschend die Cloud, DevOps, Cybersecurity und KI/ML.
Gut, wie schaut das also auf der Seite der Angestellten aus – haben die Bock auf Weiterbildung und Umschulung? Dazu neue Forschungsergebnisse aus der Studie “The State of Upskilling and Reskilling in 2024” von TalentLMS und Workable.
Die vorgestellten Zahlen der Studie sind zuversichtlich – 71 % der Angestellten sagen, dass sie häufiger ihre Fähigkeiten aufmöbelieren wollen und 77 % sprechen davon, dass das Lernen neuer Fähigkeiten ihnen ein Gefühl von Sinnhaftigkeit gibt. Die Motivation der Angestellten ist also vorhanden.
Gleichzeitig ist “The Great Resignation”-Welle aus Post-Pandemic-Zeiten noch nicht vollständig abgeklungen – ganz 74 % der technischen Angestellten planen, ihre derzeitige Organisation innerhalb eines Jahres zu verlassen (Stand 2023). 47 % davon, weil Sie ihre Karriere oder Fähigkeiten erweitern wollen (s. Abb. 6).
Unternehmen müssen also handeln – denn der Druck kommt sowohl vom Fachkräftemangel, von Opportunitätskosten und auch aus den eigenen Reihen heraus. Doch wie setzt ihr das am besten in der Praxis um?
Auch kleine und mittlere Unternehmen im Bereich Softwareentwicklung wollen Weiterbildung und Umschulungen anbieten – allerdings verfügen sie oft nicht über solche umfangreichen Ressourcen und Mittel wie große Technologieunternehmen. Deswegen kommen hier ein paar grundsätzliche und kostengünstige Strategien, mit denen auch KMUs Upskilling und Reskilling in die Tat umsetzen können.
📌 Warum es wichtig ist: Der „Future of Jobs Report 2023“ besagt, dass sich 44 % der Kernfähigkeiten bis 2027 ändern werden – das bedeutet, dein Unternehme schon heute eine lernorientierte Denkweise fördern muss.
✅ Wie du es umsetzt:
Beispiel: Atlassian ermutigt Ingenieurinnen und Ingenieure, 10 % ihrer Zeit in ihr fachliches Wachstum zu investieren, einschließlich Nebenprojekten und Zertifizierungen.
📌 Warum es wichtig ist: KMUs verfügen zwar nicht über riesige Budgets für die Aus- und Weiterbildung, aber es gibt kostengünstige Schulungsmöglichkeiten. Ehrlich gesagt war es nie günstiger, auf Fachwissen zuzugreifen.
✅ Wie du es umsetzt:
Beispiel: AWS bietet über AWS Skill Builder kostenlose Cloud-Weiterbildungsprogramme für KMU an, die die Fähigkeiten ihrer Entwickler:innen im Bereich Cloud-Technologien verbessern möchten.
📌 Warum es wichtig ist: KMUs können sich nicht immer externes Schulungspersonal leisten, aber der interne Wissensaustausch ist ein wirkungsvolles (und kostenloses) Instrument. Und sollte auch grundsätzlich in keinem Betrieb fehlen!
✅ Wie du es umsetzt:
Beispiel: Unternehmen wie Buffer und Basecamp nutzen Mentorenprogramme, um Nachwuchstalente schnell und ohne formale Schulungskosten weiterzubilden.
📌 Warum es wichtig ist: Traditionelle Schulungsprogramme sind oft zeitaufwendig. Microlearning (kurze, fokussierte Sitzungen) ermöglicht es den Mitarbeitenden zu lernen, ohne ihren Arbeitsablauf wesentlich zu unterbrechen.
✅ Wie du es umsetzt:
Beispiel: Unternehmen wie Shopify nutzen Microlearning über Slack-Bots, bei denen die Mitarbeitenden täglich Coding-Herausforderungen erhalten, die auf ihre Lernziele abgestimmt sind.
📌 Warum es wichtig ist: Das hier ist ein echter Hack! KMU können aufstrebende Talente ansprechen und ohne bedeutende Kosten auf maßgeschneiderte Schulungsprogramme zugreifen. Und ggf. wird das auch vergütet – je nachdem, was du aushandeln kannst.
✅ Wie du es umsetzt:
Beispiel: Kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland nutzen Schulungsprogramme der IHK oder der Fraunhofer Gesellschaft, um Software-Ingenieuren bei der Weiterbildung in KI und Datenwissenschaft zu helfen.
📌 Warum es wichtig ist: KI-basierte Lernwerkzeuge können Weiterbildungsprogramme für Mitarbeitende personalisieren und sicherstellen, dass sie sich auf relevante Fähigkeiten konzentrieren.
✅ Wie du es umsetzt:
Beispiel: Siemens nutzt KI-gesteuerte Lernplattformen, um die Schulung der Mitarbeitenden individuell anzupassen und sicherzustellen, dass Entwickler:innen die relevantesten Fähigkeiten erlernen. Dank KI ist Weiterbildung besser und günstiger denn je und das Rad neu erfinden musst du auch nicht – finde ein Angebot, das zu euch passt.
📌 Warum es wichtig ist: Persönliches Wachstum ist eine starke Eigenmotivation. Eure Mitarbeitenden werden es euch danken und ist gleichzeitig ein Ausdruck der Wertschätzung.
✅ Wie du es umsetzt:
Beispiel: Accenture hat innerhalb von drei Jahren die Hälfte seiner Belegschaft umgeschult, wodurch die Einstellungskosten gesenkt und die Mitarbeiterbindung verbessert wurden. Das bedeutet also, ihr spart die Kosten an anderer Stelle und nicht selten habt ihr unter dem Strich weniger Ausgaben.
Sicherlich verfügen größere Technologieunternehmen über hohe Schulungsbudgets – dennoch können auch KMUs eine solide Lernkultur aufbauen. Nutzt erschwingliche Schulungsangebote, Mentoring durch Kolleg:innen und KI-gesteuerte Lernwerkzeuge für personalisiertes Lernen. Holt euch mit Skills-based Hiring die richtigen Leute mit neuen Fähigkeiten ins Boot, damit eure Belegschaft voneinander lernen kann und kombiniert das mit den vielen doch recht günstigen Lernangeboten und KI, die es aktuell gibt. Eine Kultur von kontinuierlicher Lernbereitschaft sowie geplante und strukturierte Schulungsinitiativen bilden das Fundament hierbei.